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Kritische Erfolgsfaktoren der Digitalen Transformation

Beitrag von Dr. Harald Linné, Direktor, erschienen im Jahrbuch 2017 Digitale Transformation im F.A.Z.-Fachverlag

Kritische Erfolgsfaktoren der Digitalen Transformation

Daimler-CEO Dieter Zetsche hat die Formulierung „go digital or go home“ geprägt. Doch wie genau lässt sich diese Zukunftsformel erfolgreich umsetzen? Ein Blick auf kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und eine Empfehlung für die deutsche Wirtschaft.

Die Digitalisierung ist aktuell die bei weitem größte Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Unternehmen hierzulande reagieren darauf und geben im Rahmen ihrer Digitalisierungsanstrengungen viel Geld für IT und Beratung aus. Was dabei überrascht: Dennoch gehen zahlreiche Unternehmen das Thema Digitalisierung nur halbherzig an. Sie sehen zwar die Notwendigkeit, im Wettbewerb nicht zurückzufallen, doch die Führung ist oftmals mit einer schwer zu beantwortenden Schlüsselfrage konfrontiert: Wie soll ein Unternehmen die Herausforderung Digitalisierung erfolgreich umsetzen, und worauf kommt es dabei wirklich an?

Diejenigen CEOs, die sich intensiv mit der Digitalisierung ihres Unternehmens auseinandersetzen, denken Businessmodell und Wertschöpfungskette komplett neu. Sie fragen sich, warum und wie sie sich heute aufstellen müssten, wenn sie ihre Firma oder einen Funktionsbereich als digitales Geschäft neu erfinden würden. Diese „digitalen CEOs“ denken vom Kunden oder vom Anwender her. Und das zu Recht, denn nur wer eine Digitalstrategie mit und für Kunden und Anwender neu entwickelt,kann sich selbst neu erfinden und weiterentwickeln. Es geht nicht darum, einzig eine neue IT-Plattform einzuführen und die Prozesse zu standardisieren. Im ersten Schritt geht es vor allem darum, den Geschäftszweck neu zu formulieren.

Ganzheitliche Prozesse

Onlineprozesse, insbesondere Marketing- und Serviceprozesse, sollten durchgehend mit den Kernprozessen eines Unternehmens wie Buchhaltung, Einkauf und Logistik verbunden sein. Der Einkauf beispielsweise nimmt im Onlinegeschäft zusammen mit dem Marketing bzw. in der Sortimentsgestaltung und im Pricing mittlerweile eine Schlüsselrolle ein. Er sieht, welche Produkte im Onlinegeschäft zu welchem Preis nachgefragt werden. So kann der Einkauf attraktive „Product-Bundles“ entwickeln,gezielt zeitbezogene Preisstrategien fahren, auf Rezensionen reagieren und Abverkäufe steuern. Der Onlinehändler Amazon ändert beispielsweise seine Preise millionenfach pro Tag.

Das Onlinegeschäft zeichnet sich durch höchste Transparenz und Schnelligkeit aus und ist weitaus schneller als jedwedes Geschäft des stationären Handels. Onlineanbieter werben nicht umsonst heftig mit „Same-Day-Delivery“. Allerdings tun sich viele Unternehmen in der Prozessgestaltung und -umsetzung schwer. Das trifft insbesondere diejenigen, die ein Multichannel-Modell aufbauen und so die Daten aus unterschiedlichen Kontaktpunkten zusammenfließen lassen möchten. Dabei sollten die Prozesse doch letztlich so gestaltet sein, dass der Kunde eine positive „Customer-Experience“erfährt. Solche Kundenerlebnisse finden vor, während und nach dem Kauf eines Produktsoder einer Dienstleistung statt, wobei die Schaffung eines ganzheitlichen Kundenerlebnisses über alle Kundenkontaktpunkte (Touchpoints) im Mittelpunkt steht.

Die ganzheitliche Sichtweise auf das Kundenerlebnis über alle Touchpoints hinweg muss bei vielen deutschen E-Commerce-Unternehmen erst noch ihren Platz finden. Einzelne Bestandteile wie kundenorientierte Versand-, Logistik-, Zahlungs- und Serviceprozesse werden zwar bereits angegangen. Sie verteilen sich jedoch oft über mehrere Verantwortungsbereiche hinweg. Dadurch kann viel Potential verloren gehen. Führende Onlineanbieter setzen sich intensiv mit den Kundenkontaktpunkten im Rahmen einer Touchpoint-Map auseinander. So versuchen sie, die Customer-Journey und den Customer-Lifecycle durch gezielten Einsatz der Marketing- und Kommunikationsinstrumente zu optimieren.

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„Die ganzheitliche Sichtweise auf das Kundenerlebnis über alle Touchpoints hinweg muss bei vielen deutschen E-Commerce-Unternehmen erst noch ihren Platz finden.“

Moderne IT

Erst eine moderne, Cloud-basierte IT schafft die Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung der Digitalstrategie. Da viele Unternehmen ältere ERP- und IT-Systeme im Einsatz haben, die keine Transparenz über die benötigten Realtime-Daten und Kennzahlen liefern, müssen Zwischenlösungen her. Häufig bildet der Einstieg in die Digitalisierung den Startpunkt für eine > Konsolidierung der IT-Landschaft.Eine erfolgreiche Digitalisierung setzt nicht unbedingt den Einsatz aller heute am Markt gängigen Tools (CMS, DWH, BI, CRM) voraus, denn weniger ist bekanntlich mehr.

Selbst einige führende Onlineanbieter haben ihre IT-Performance nicht unter Kontrolle und leiden unter mangelnder logistischer Verfügbarkeit und unzureichender IT-Performance. Das Geschäftsvolumen ist in Spitzenzeiten teilweise 10- bis 100-mal größer als im sonstigen Geschäftsjahr. Verfügbarkeit ist daher logischerweise zentral für den Kunden. Ein Kunde, der seinen Kauf aufgrund mangelnder Systemverfügbarkeit, zu langsamer Reaktionszeiten oder schlichtweg mangelnder Warenverfügbarkeit nicht abschließen kann, ist in der Regel ein verlorener Kunde.Er nutzt mit hoher Wahrscheinlichkeit einen anderen Anbieter.

Hochqualifiziertes Management

Neben den Prozessen und der IT-Struktur entscheidet vor allem die Qualität des Managements über den Erfolg der Digitalen Transformation. Wenn es um die größten Blockaden im Rahmen ihrer Business-Transformation geht, verweisen sowohl Unternehmen, die mit der Digitalisierung ihres Geschäftsmodells begonnen haben,als auch führende E-Commerce-Unternehmen in der Regel auf das bestehende Management.Das überrascht nicht, ist die „Disziplin“ Digitalisierung doch relativ neu für deutsche Unternehmen. Demnach gibt es aktuell nur wenige digital kompetente Führungskräfte mit entsprechenden Erfahrungen und Kenntnissen. Zudem sind diese wenigen Führungskräfte, die das Digitalisierungs-Metier professionell beherrschen,schwer zu finden. Besonders Unternehmen, die bei der Digitalisierung erst am Anfang stehen, tun sich häufig schwer damit, die richtige Führungskraft und die richtige Mannschaft zu gewinnen. Echte Digitalisierungsmanager, allen voran die IT-Nerds der Generation Y, streben nicht unbedingt eine Festanstellung in einem Unternehmen an. Sie präferieren vielmehr ihren eigenen Wohnsitz, nicht selten in den deutschen E-Commerce-Hochburgen wie Berlin oder München. Statt Dienstwagen und langfristig geplanten Karrierepfaden haben sie andere Prioritäten: ausgesprochen flexible Arbeitszeiten, flexibles Arbeiten zwischen Büro und Homeoffice, modernste IT-Ausstattung. All diese Komponenten sind häufig deutlich wichtiger als ein geleaster Firmenwagen gehobener Klasse.

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Neue Kultur und Arbeitsorganisation

Das Thema Kultur und Arbeitsorganisation dürfte die wahrscheinlich größte Veränderung zur klassischen Arbeitswelt darstellen. Ist das Kerngeschäft häufig nach tayloristischen Prinzipien im Sinne einer Spezialisierung organisiert, steht in der Onlinewelt der Teamansatz klar im Mittelpunkt. Statt Egoismus und Silodenken gilt es, Teamkultur und gut vernetzte Einheiten sicherzustellen: gemeinsame Ideenfindung,beispielsweise in Form von Design-Thinking-Workshops, gemeinsame Abstimmung von Themen mit Fachexperten unterschiedlicher Abteilungen sowie vor allem die schnelle Umsetzung mittels moderner Verfahren. Agile Entwicklung,Einsatz von Entwicklungsmethoden wie Scrum, zweiwöchige Sprints und Rapid Prototyping, ständige Datenanalysen, Überprüfung des Erreichten und neues Setzen von Prioritäten für den nächsten Sprint: Das alles sind substantiell andere Arbeitsweisen,die sich grundlegend vom Wasserfallmodell unterscheiden, das in vielen Unternehmen noch immer vorherrscht.

Natürlich machen auch Digitalisierer Fehler – doch dafür lernen sie schnell daraus. Das Motto lautet: try fast, fail fast. Um neue Ideen und vor allem eine hohe Innovationsgeschwindigkeit zu fördern, ist die kontinuierliche Innovationsförderung eine wichtige Geisteshaltung.

Querdenker sollten ausdrücklich erwünscht sein, was beim Fotoentwicklungsunternehmen CEWE der Fall ist. Einmal pro Woche kommt die sogenannte Innovationsrunde zusammen, zu der jeder Mitarbeiter eingeladen ist.Die wichtigsten Fachbereiche sind dort vertreten und präsentieren ihre neuen Ideen für Produkte, Strukturen und Prozesse.

Neue Denkansätze sind in der deutschen Wirtschaft zahlreich. Der Stahlhändler Klöckner SE hat im Rahmen seiner Digitalen Transformation zum Beispiel einen Rapid-Prototyping-Ansatz genutzt. Innerhalb von vier Wochen realisierte er eine mit dem Kunden definierte Problemstellung als Prototyp. Der Prozess wird dabei mit einem minimalen Funktionsumfang (Minimum Viable Product) validiert. Oder der Automobilgigant Daimler, der sich im Rahmen des sogenannten Case-Programms von Hierarchiesystem verabschiedet hat. Zumindest partiell, denn bis zu 20 Prozent der Mitarbeiter werden auf eine Schwarm-Organisation umgestellt und arbeiten künftig themenbezogen zusammen. Für diese autonom vernetzten Mitarbeiter gelten keine Abteilungsgrenzen mehr.

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„Das Motto lautet: try fast, fail fast. Um neue Ideen zu fördern, ist kontinuierliche Innovationsförderung essenziell.“

Changemanagement

Die Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ist für jedes Unternehmen ein großes Veränderungsprojekt. Solche Veränderungen drohen zu scheitern, wenn die Führung und die Mitarbeiter nicht abgeholt und durch ein professionelles Change Management auf den neuen Weg mitgenommen werden. Change Management bedeutet vor allem ständige Kommunikation, intensives Training, Diskussionen über die Auswirkungendes neuen Geschäftsmodells und den Umgang mit Kanalkonflikten zwischen Kern- und neuem Onlinegeschäft. Hier muss der CEO eine Schlüssel- und Vorbildrolle übernehmen.

Atreus Referenzen Digitalisierungsprojekte

  • A.T.U Auto-Teile-Unger GmbH
  • Holidaycheck
  • myToys
  • creatrade GmbH
  • CEWE
  • u.v.m.

Autor dieses Beitrags ist Dr. Harald Linné, Managing Partner bei Atreus

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Dr. Harald Linné
Managing Partner & CEO
+49 89 452249-200
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Der Artikel erschien in Jahrbuch 2017 Digitale Transformation im F.A.Z.-Fachverlag (www.frankfurt-bm.com)