Expertentalk
Wie werden Unternehmen enkelfähig?
Ein Expertengespräch zwischen Atreus Direktor Martin Schulz und Thomas Schmidt, Unternehmer & Investor und CEO bei GREENZERO. Schmidt gibt Einblicke in enkelfähige Unternehmen.
Wie werden Unternehmen enkelfähig?
Darüber spricht Atreus Partner, Direktor und Leiter der Solution Group Energie und Umwelt, im Expertentalk mit Thomas Schmidt, Unternehmer & Investor und CEO bei GREENZERO.
Thomas Schmidt definiert den Begriff und gibt Insights über die Herausforderung bei der Implementierung von Enkelfähigkeit. Wie geht man mit Skepsis gegenüber dieser Transformation in Unternehmen um? Was sind die Chancen der Enkelfähigkeit in Deutschland? Was ist der Unterschied zu Nachhaltigkeit?
„Enkelfähiges Unternehmertum ist nicht gleich Nachhaltigkeit. Es geht darum, wie wir den nächsten Generationen die Sicherheit geben können, dass sie die gleichen Lebensvoraussetzungen haben, wie wir sie noch hatten. Können wir die Unternehmen so führen, dass sie heute wirtschaftlich erfolgreich sind, aber eben nicht übertreiben und damit im wahrsten Sinne des Wortes verbrannte Erde hinterlassen?“
Im Folgenden finden Sie eine aus Gründen der Deutlichkeit bearbeitete Abschrift des Gesprächs:
Martin Schulz: Herzlich willkommen zu unserem heutigen Expertentalk hier bei Atreus. Mein Name ist Martin Schulz und ich bin hier für das Segment Energie und Umwelt verantwortlich. In diesem Kontext sprechen wir heute über ein für mich sehr spannendes Thema, das mir auch sehr am Herzen liegt, und das ist das Thema Enkelfähigkeit. Was ist enkelfähig überhaupt und wie wird man ein enkelfähiges Unternehmen? Und mit wem könnte ich dazu besser sprechen als mit meinem heutigen Gast, Thomas Schmidt. Lieber Thomas, herzlich willkommen, schön dass du da bist.
Thomas Schmidt: Ich freue mich sehr, danke.
Martin Schulz: Sehr gerne. Darf ich dich kurz vorstellen? Du bist Unternehmer, Aufsichtsrat und Investor und von 2019 bis 2024 durftest du die Investment Holding Haniel leiten als CEO. Haniel, eines der ältesten deutschen Familienunternehmen. Du bist ausgebildeter Ingenieur – haben wir was gemeinsam – und blickst auf eine langjährige Karriere zurück, unter anderem bei General Electric und TE Connectivity.Du setzt dich über Unternehmensgrenzen hinweg für enkelfähiges Unternehmertum ein. Was verstehst du denn eigentlich persönlich unter dem Begriff enkelfähig?
Thomas Schmidt: Ja, für mich ist enkelfähiges Unternehmertum, eben nicht Nachhaltigkeit. Viele verwechseln die zwei Begriffe oder verwenden sie synonym. Beim Unternehmertum im 21. Jahrhundert geht immer noch darum, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, aber eben so, dass es für die heutige und auch für nachfolgende Generationen funktioniert. Es ist wichtig, dass enkelfähige Unternehmen extrem leistungsorientiert sind, wahrscheinlich technologiegetrieben, um mit den Herausforderungen zurechtzukommen, aber auch global denkend, denn sonst können wir in der heutigen Welt nicht erfolgreich sein, um diese Balance aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Themen hinzubekommen. Wie können wir den nächsten Generationen die Sicherheit geben, dass sie die gleichen Lebensvoraussetzungen haben, wie wir sie noch hatten? Können wir die Unternehmen so führen, dass sie heute wirtschaftlich erfolgreich sind, aber eben nicht übertrieben und damit im wahrsten Sinne des Wortes verbrannte Erde hinterlassen?
Martin Schulz: Wenn ich richtig informiert bin, hat Christiane Unterberg 2007 den Begriff “enkelfähig” zum ersten Mal im Bundesministerium verwendet. Du warst fünf Jahre bei Haniel und hast das Thema Enkelfähigkeit ein Stück weit mitgeprägt. Aber wenn man deren Website liest, steht da: “Wer eine bessere Zukunft schaffen will, muss generationsübergreifend denken. Wir nennen das Enkelfähigkeit.” Diese Einstellung leitet unser Handeln seit über 250 Jahren. Also so neu ist das eigentlich nicht, oder?
Thomas Schmidt: Ich glaube, der Begriff selbst ist absolut nicht neu. 2007, wie du sagst, durch Christiane Unterberg und auch bei Haniel, da kam es, glaube ich, 2008 oder 2009 richtig auf. Es war auch der Titel des Unternehmensmagazins eine ganze Zeit lang, das habe ich aber abgeschafft, weil keine echte Verbindung da war.
Martin Schulz: Wenn wir stärker in den wirtschaftlichen Kontext gehen, hat man ja bei der Nachhaltigkeit manchmal den Eindruck, dass sie von anderen Themen überlagert wird. Es fühlt sich fast so an, als wäre sie für den einen oder anderen in den Hintergrund gerückt. Aber bleiben wir erst einmal bei der Frage: Enkelfähig versus nachhaltig. Wo siehst du Gemeinsamkeiten, aber wo auch klare Unterschiede?
Thomas Schmidt: Also erst einmal, nicht nur ist das Thema Nachhaltigkeit in den Hintergrund gerückt, sondern es wird teilweise sogar negativ belegt. Das finde ich schade. Meine persönliche Überzeugung ist: In zehn Jahren wird jedes wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen auch ein nachhaltiges Unternehmen sein. Allerdings ist Nachhaltigkeit nur ein Unterpunkt, eine Teilmenge des unternehmerischen Erfolgs. Bei Haniel haben wir das so definiert: Wirtschaftlicher Erfolg plus Nachhaltigkeit ergibt Enkelfähigkeit. Wirtschaftlicher Erfolg ist relativ einfach zu messen: Umsatz, Ergebnis, Cashflow, Wertsteigerung. Aber wie messe ich Nachhaltigkeit? Da wird es interessant, weil man Nachhaltigkeit erst definieren und greifbar machen muss.
Martin Schulz: Weil du jetzt erwähnt hast, dass Finanzkriterien leicht zu messen sind und auch Qualitätskriterien wie Ausschuss oder Durchlaufzeiten – wie hast du dafür gesorgt, dass Enkelfähigkeit oder die Teilmenge Nachhaltigkeit tatsächlich messbar wird? Wie habt ihr das sichtbar, visualisiert und greifbar gemacht?
Das war ein Prozess, und wir haben dabei viel gelernt. Ich erinnere mich an Diskussionen im Investmentkomitee. Wir hatten ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen besprochen und gefragt: Trägt es zu einer lebenswerten Zukunft bei?
Daraus entwickelte sich ein Ansatz, den wir “Future Worth Living Score” genannt haben – ein Score für eine lebenswerte Zukunft. Diesen haben wir dann ausgearbeitet und so weiterentwickelt, dass er heute am Markt verfügbar ist und von Unternehmen genutzt wird. Viele Unternehmen, die sich tief mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen, sind mittlerweile zu ähnlichen Ansätzen gekommen.
Es folgt eine positive und negative Einschätzung, was sind Verbotsindustrien, mit denen wir uns überhaupt nicht beschäftigen würden, und dann gibt es eine Blacklist. Was sind Geschäftsmodelle, wo wir glauben, die sind eben nicht zukunftsfähig, die kommen nicht aus dieser Phase heraus. Die Unternehmen, die enkelfähig sind bekommen ein Status Rating mit deren Potenzial.
„Beim Thema Enkelfähigkeit – also der Verbindung von Nachhaltigkeit und Profitabilität – hat Deutschland die Chance, wieder eine Führungsrolle einzunehmen. Es wird aus dem Mittelstand und den Familienunternehmen kommen müssen. Und wenn ich mir die Struktur in Deutschland angucke, gibt es kaum ein Land mit so vielen mittelständischen und familiengeführten Unternehmen. Das macht mir Hoffnung.“
Martin Schulz: Der wirtschaftliche Druck ist hoch, wir alle kennen die geopolitischen und Standortfaktoren. Wie gehe ich jetzt mit der kurz- bis mittelfristigen Wirtschaftlichkeit um? Dafür muss ich noch nicht mal eine Quartalsberichterstattung haben oder börsennotiert sein. Wie kann man kurz- und mittelfristig erfolgreich und andersrum, sage ich mal, enkelfähig auch mit dem Thema Nachhaltigkeit zu werden. Wie seid ihr damit umgegangen?
Thomas Schmidt: Enkelfähige Unternehmensführung kann keine Ausrede für unterdurchschnittliche Performance sein. Wenn ich nachhaltig sein will, muss ich nicht heute Einbußen auf der Profitabilität hinnehmen. Ich glaube, dass die Zielkonflikte nicht größer sind als bei anderen Diskussionen und Entscheidungen auch. Die Entscheidung, will ich in eine neue Anlage investieren oder mehr Personal einstellen oder doch kurzfristig Profit maximieren, die ist immer gegeben. Das ist eine Entscheidung, die UnternehmerInnen, CEOs tagtäglich treffen müssen, und genauso ist es bei Nachhaltigkeit. Was mir bei Nachhaltigkeit oder Enkelfähigkeit fehlt, ist eben das, was wir gerade angesprochen haben, die Transparenz. Wenn man das aus der Nachhaltigkeitsecke rausnimmt und in einem CFO-Kontext bespricht, dann wählst du die besten Investitionen aus, die nicht nur deinen Fußabdruck reduzieren, sondern auch die Profitabilität deines Unternehmens erhöhen. Und dann schließt sich das nicht unbedingt aus. Ist das einfach? Nein.
Martin Schulz: Wir sprechen ja viel von Familienunternehmern, da verkauft man sein Unternehmen nicht für kurzfristigen Gewinn. Und letztendlich stehst du schon immer vor der Entscheidung, wo investiere ich jetzt und wie wichtig ist mir dieses Thema jetzt, heute, hier? Und wie berücksichtige ich das? Hattest du nie so einen Fall, wo du gesagt hast, naja, das müssen wir jetzt doch ein Stückchen hinten anstellen?
Thomas Schmidt: Ja so wie es heute in der öffentlichen Debatte vorkommt und so wie du es gerade positionierst, nehme ich es gefühlt immer als ein Stück Ausrede wahr. Jetzt ist gerade nicht die Zeit. Und für mich verbirgt sich dahinter: Jetzt muss ich mein Geschäft führen. Da habe ich für dieses andere Thema keine Zeit. Und ich glaube, das ist, was ich meine, mit Schalter umlegen, es muss Kern der Strategie sein, keine Nebenaktivität. Weißt du, ein Learning war? Es funktioniert dann, wenn die CFOs es unterstützen. Damit muss es transparent, messbar und finanziell greifbar sein.
„Meine persönliche Überzeugung ist: In zehn Jahren wird jedes wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen auch ein nachhaltiges Unternehmen sein, da glaube ich fest daran. Enkelfähige Unternehmensführung kann keine Ausrede für unterdurchschnittliche Performance sein.“
Martin Schulz: Reden wir über Purpose: Wie hast du deine gesamte Mannschaft emotionalisiert und sensibilisiert? Gab es Personen, die skeptisch waren gegenüber dem Konzept “Enkelfähigkeit”? Und haben sich deren Meinungen geändert?
Thomas Schmidt: Das war tatsächlich ein Prozess. Natürlich gibt es immer Skepsis, besonders bei neuen Konzepten wie der “Enkelfähigkeit”, die tiefere, langfristige Ziele verfolgen. Der schwierigste und anspruchsvollste Teil ist oft die persönliche Umsetzung von Veränderungen innerhalb einer Organisation. In der Umsetzung gab es dann jedoch Herausforderungen, vor allem in der Balance zwischen Profitabilität und Nachhaltigkeit. Ich hätte heute vielleicht anders auf die Zusammensetzung des Führungsteams geschaut. Wir hatten zwar sehr gute Leute, die jedoch stark von den Interessen der Investoren getrieben waren. Das hat uns die Balance zwischen der operationalen Umsetzung von enkelfähigen Prinzipien und den notwendigen Investmententscheidungen genommen.
Martin Schulz: Was waren sonst deine Learnings?
Thomas Schmidt: Ich komme von einer Unternehmensseite, da war es mühsam, von den reinen finanziellen Kennzahlen ein bisschen Richtung Nachhaltigkeit zu kommen. Jetzt bin ich auf dieser Ökologie-Seite, da ist es echt schwer, den Leuten beizubringen, dass ein bisschen Geld verdienen auch wichtig ist. Also die Themen zusammenzubringen ist wirklich eine große Herausforderung. Die letzten Studien zeigen, wenn du heute mit Nachhaltigkeit in den Markt gehst, ist es nicht nur kein Wettbewerbsvorteil, sondern du wirst abgestraft. Und es gibt inzwischen viele Unternehmen, auch wenn sie ein nachhaltiges oder ein veganes Produkt anbieten, die schreiben es gar nicht mehr auf die Packung, weil sie abgestraft werden. Also das ist schon nochmal ein Learning jetzt über die letzten eineinhalb Jahre. Das würde ich immer mit einfließen lassen. Aber zur Enkelfähig-Bewegung haben wir viel Zuspruch für die Transformation bekommen, die wir da angestoßen hatten.
Martin Schulz: Es wird häufig in Legislaturperioden gedacht. CEOs denken häufig in ihren drei oder fünf-Jahres-Verträgen. Was würdest du Entscheidungsträgern da empfehlen, aus deiner Erfahrung heraus?
Thomas Schmidt: Ich würde mir wünschen, dass wir das Jammern aufhören. Ich verstehe das mit der Regulatorik und das ist aufwendig und bürokratisch. Aber ich würde gerne, dass wir die Chance sehen. Ich glaube nach wie vor, dass wir beim Thema Enkelfähigkeit, also die Kombination von Nachhaltigkeit und Profitabilität und wie ich das verankern kann, dass wir in Deutschland eine Chance haben, wieder eine Führungsrolle zu übernehmen. Es wird wahrscheinlich nicht von den börsennotierten Unternehmen getrieben werden. Sie sind in ihrem Quartalsrhythmus. Es wird aus dem Mittelstand und den Familienunternehmen kommen müssen. Und wenn ich mir die Struktur in Deutschland angucke, es gibt kaum ein Land mit so vielen mittelständischen und familiengeführten Unternehmen. Das macht mir Hoffnung.