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Expertentalk

Herausforderungen und Potenziale des deutschen Gesundheitssystems

Was muss sich im deutschen Gesundheitssystem ändern?

Darüber spricht Harald Linné mit Francesco De Meo in diesem Expertentalk:

Im Atreus Expertentalk zum Thema deutsches Gesundheitssystem diskutieren Harald Linné und Francesco De Meo die grundlegenden Probleme des deutschen Gesundheitssystems. De Meo war DAX-Vorstand bei Fresenius und CEO bei Helios.

Wo liegen die größten Probleme im deutschen Gesundheitssystem? Was konnte er aus fast 25 Jahren Praxis als Gesundheitsmanager lernen? Wie denkt er über Lauterbachs Krankenhausreform? Wer und was ist gefragt, damit eine echte Transformation zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung gelingt?

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Francesco De Meo
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„Wir müssen nicht das gesamte System verändern, aber wir müssen es aufwecken. Wir müssen das herausholen, was gegenwärtig in Verschwendung und Ineffizienz durch falschen Ressourceneinsatz verloren geht. Dafür braucht es nicht zwingend deutschlandweite Regelungen, sondern Freiraum für diejenigen, die die Versorgung nah am Menschen sicherstellen, und Menschen, die Verantwortung übernehmen, regional und lokal.“

Francesco De Meo

Im Folgenden finden Sie eine aus Gründen der Deutlichkeit bearbeitete Abschrift des Expertentalks.

Harald Linné: Liebe Geschäftsfreunde von Atreus, ich freue mich sehr, heute Francesco De Meo bei uns hier im Atreus Studio zu begrüßen. Wie die meisten von Ihnen wissen, Atreus steht für Veränderung und deren Implementierung, es steht für das Thema “Get Things Done”. Warum ist Francesco de Meo hier? Das deutsche Gesundheitssystem ist an seine Grenzen gekommen. Alle spüren und wissen, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Die Kosten steigen ins Unermessliche, die Qualität und vor allen Dingen auch die Verfügbarkeit von Ärzten und Pflegekräften ist immer schwieriger zu gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund haben wir Francesco De Meo gebeten, seine Sicht auf das deutsche Gesundheitssystem uns mitzuteilen, denn er hat ein außergewöhnliches Buch geschrieben. Herr De Meo, sagen Sie doch etwas zu sich selbst und warum Sie dieses Buch geschrieben haben.

Francesco De Meo : Danke, Herr Linné. Ich bin froh, hier zu sein. “Get Things Done” ist das Stichwort, was es gut zusammenfasst. Ich bin Gastarbeiterkind, aufgewachsen auf der Schwäbischen Alb, in Deutschland groß geworden und dann vor knapp 25 Jahren im Gesundheitswesen angefangen. Dort habe ich dann die größte europäische private Klinikgruppe, Helios, aufgebaut. Sie ist ein Teil von Fresenius, ich war über 15 Jahre Dax-Vorstand dort. Dann bin ich ausgeschieden mit 60 Ende letzten Jahres und habe mich gefragt, was müsste man tun, um das deutsche Gesundheitswesen so aufzustellen, dass das Motto „Get things done“ möglich ist? Und das beschreibt mein Buch mit dem Titel „Schlafende Riesen wecken“. Es steckt so viel im deutschen Gesundheitssystem. In meinem Buch schreibe ich viel zu Systemfehlern und zu Dysfunktionalitäten, aber auch zu der Frage, wie man das System effektiver aufsetzt. Ich schreibe darüber, wie man das machen kann, Get Things Done, wie Sie es bei Atreus immer pflegen.

Harald Linné: Die Kosten des deutschen Gesundheitssystems steigen ins Unermessliche: Personalkosten, Energiekosten, alle weiteren Kostenfaktoren starten. Was empfehlen Sie der Geschäftsführung eines deutschen Krankenhauses? Was empfehlen Sie den Eigentümern der deutschen Krankenhäuser, um aus dieser Spirale herauszukommen?

Francesco De Meo: Ja, es ist noch viel schlimmer, Herr Linné. Die Kosten steigen insgesamt im System massiv. Wir haben die Diskussion über die Pleite der Pflegeversicherung und wir haben allgemein eine Kostenexpansion. Das Problem ist, dass viele denken, gerade auch die Träger von Krankenhäusern, das ließe sich mit mehr Geld lösen. Meine Empfehlung ist, wegzugehen von diesem Wettstreit um das Geld. Denn die Erwartung, dass immer mehr Geld für das System verfügbar ist, wird nicht erfüllbar sein. Und hinzu kommt, dass die Ressourcen nicht da sind, die wir brauchen. Das beschreibe ich im Buch im Detail. Ärzte und Pflegende sind einfach falsch verteilt. Ich empfehle allen, sich eigenverantwortlich darum zu kümmern, wie sie den Wettstreit um eine gute Versorgung letztlich bestehen können. Der Wettstreit findet vor Ort statt, nah an den Menschen. Dafür, so meine Grundüberzeugung, haben wir, wenn wir es gut organisieren, auch genug Geld.

In Deutschland geben wir sehr viel für Gesundheitsausgaben aus, wir sind weltweit führend, doch im Ergebnis schneiden wir schlechter als viele andere Länder ab, die viel weniger Geld ausgeben. Das bedeutet, wir haben genug Geld im System, aber wir geben es falsch aus. Das ist meine Sicht der Dinge. Deshalb ist es wichtig, dass die Verantwortlichen vor Ort, in Krankenhäusern, Kliniken und ambulanten Zentren, sich fragen, wofür sie das Geld ausgeben, wie sie es ausgeben und ob sie das intelligent und richtig machen oder ob es Verbesserungsbedarf gibt.

Es wäre nötig, das gesamte Gesundheitssystem neu auszurichten und auszubalancieren, bevor die Geschäftsführung eines einzelnen Krankenhauses oder einer Klinik erfolgreich agieren kann. Das ist die Überzeugung der jetzigen Ampelkoalition und von Karl Lauterbach: Man könne das gesamte System zentral steuern und es würde besser werden. Ich halte das für einen Irrglauben. Albert Einstein nannte das Wahnsinn – etwas immer wiederholen und ein anderes Ergebnis erwarten.

Wir müssen nicht das gesamte System verändern, aber wir müssen es aufwecken. Wir müssen aus dem System das herausholen, was gegenwärtig in Verschwendung und Ineffizienz verloren geht, durch falschen Ressourceneinsatz. Dafür braucht es nicht zwingend deutschlandweite Regelungen, sondern Freiraum für diejenigen, die die Versorgung nah am Menschen sicherstellen, und Menschen, die Verantwortung übernehmen, regional und lokal. Wenn wir diese motivieren und ihnen Freiräume geben, wird sich das System verändern und wir können die vorhandenen Mittel besser nutzen.

Das bedeutet weniger Planwirtschaft und mehr dezentrale Freiräume und Unternehmertum vor Ort. Es ist eine besondere Form des Unternehmertums. Wir sprechen hier vom Gesundheitswesen, das in Deutschland oft noch als solches bezeichnet wird. Ich bevorzuge den Begriff Gesundheitswirtschaft, denn es ist ein großer Wirtschaftsfaktor. Die Frage ist, in welchem Maße Wettbewerb eine Rolle spielt. Bei Helios hatten wir immer zwei Maßstäbe: Qualität und ökonomische Exzellenz. Überträgt man diese Maßstäbe auf die gesamte Volkswirtschaft, kann man viel lernen – mit einem breiteren, nicht profitorientierten Blick.

Francesco De Meo
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„In Deutschland geben wir sehr viel für Gesundheitsausgaben aus, wir sind weltweit führend, doch im Ergebnis schneiden wir schlechter ab als viele andere Länder, die viel weniger Geld ausgeben. Das bedeutet, wir haben genug Geld im System, aber wir geben es falsch aus.“

Francesco De Meo

Harald Linné: Das klingt sehr spannend, könnten Sie mal zwei, drei Beispiele bringen, was muss am an dem deutschen Gesundheitssystem geschraubt werden, damit dieser Umbruch passiert?

Francesco De Meo: Wir haben im deutschen Gesundheitswesen systemische Rahmenbedingungen. Und das einschränkendste sind die Sektorengrenzen: Krankenversicherung, Pflegeversicherung, die Unfallversicherung, die deutsche Rentenversicherung. Man hat viele Töpfe, die für sich agieren. Jetzt erklären Sie einem alten Menschen z.B., was das für einen Unterschied ausmacht, ob er jetzt auf der Straße, zu Hause gefallen ist oder in der Klinik gefallen ist. Sie haben komplett unterschiedliche Träger. Sie werden rumgeschickt, wenn Sie Pflege brauchen, jeder sagt, da ist der andere zuständig. Das heißt, wir haben ein Systemproblem ganz konkret, dass man sich verliert in dem System.

Wie kann man das anders machen? Wenn ich in den Regionen die Population betrachte, ist Deutschland nicht einheitlich. Das ist ein großes Problem, wenn man denkt, das Gesundheitswesen wäre einheitlich, weil die Rahmenbedingungen vergleichbar sind. Man hat das Ziel formuliert, eine einheitliche Versorgung zu schaffen, letzteres ist völlig in Ordnung. Man will die beste Versorgung für alle erreichen, aber nicht auf dem gleichen Weg, das wird nicht funktionieren.

In der einen Population haben Sie viele alte Menschen: Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern. In der anderen, städtischen Population, haben Sie eher junge Menschen. In dem einen Fall müssen Sie überlegen, wo geht das Geld hin? In die Pflege? In dem anderen Fall müssen Sie überlegen, was mache ich für Prävention?

Diese Verteilung funktioniert in diesen Silo-Geldtöpfen und Sektorengrenzen nicht. Genauso wie Untersuchungen häufig unnötig sind, da es eine Grenze zwischen ambulant und stationär gibt. Und wenn Sie diese Sektoren mal aufbrechen, wenn Sie dieses Silo-Denken in den Geldtöpfen ändern, dann haben Sie die Chance, es insgesamt besser zu machen, bei gleichem Geld. Dafür müssen Sie aber nochmal diese Möglichkeit schaffen, dass regionale Akteure – die sind noch zu bestimmen, je nach Region – dass regionale Akteure über Budgets die Versorgung da steuern, wie es die Menschen wirklich brauchen. Und dann braucht man mal mehr für Pflege oder mal mehr für Prävention.

Harald Linné: Darf ich Ihre Einschätzung zur geplanten Krankenhausreform von Herrn Lauterbach erfahren?

 

Francesco De Meo
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„Man könne das gesamte System zentral steuern und es würde besser werden: Das ist die Überzeugung der jetzigen Ampelkoalition und von Karl Lauterbach. Ich halte das für einen Irrglauben. Alles, was Karl Lauterbach erreichen will, wird nicht erreicht. Er spricht von besserer Qualität, aber die Versorgung in der Fläche wird leiden. Stattdessen gibt es einen “Insolvenzbooster”, wo Kliniken schließen, ohne dass die Reform das verhindert.“

Francesco De Meo

Francesco De Meo: Er hat irgendwann den richtigen Abzweig verpasst. Er fing an das System zu verbessern. Das ist meine Grundüberzeugung, weil er ursprünglich aus einer Welt als Arzt kommt, wo er klar gesehen hat, dass Änderungen benötigt werden. Dann ist er aber stark in die Technik abgedriftet und hat sich darin verfangen. Er hat Konflikte mit jedem begonnen, der ihn nicht freundlich empfangen hat. So hat er durch seine Kommunikationsstrategie Probleme geschaffen und sich plötzlich auf Krankenhäuser fokussiert. Alles, was Karl Lauterbach erreichen will, wird nicht erreicht. Er spricht von besserer Qualität, aber die Versorgung in der Fläche wird leiden. Stattdessen gibt es einen “Insolvenzbooster”, wo Kliniken schließen, ohne dass die Reform das verhindert.

Er versprach weniger Bürokratie, aber es entsteht ein Bürokratiemonster. Statt weniger Ökonomie fließt mehr Geld ins System, ohne dass sich die Versorgungsqualität verbessert. Das Geld geht in die Infrastruktur von Krankenhäusern, während wir es dringend für andere Probleme brauchen, wie die Pflege alter Menschen, die Versorgung von Kindern und den Aufbau von Rettungsdiensten. Das ist der falsche Weg, weil die kleinen Kliniken vor Ort verschwinden werden. Es braucht eine Lösung, die die Versorgung durch kleine Kliniken sicherstellt, aber vielleicht nicht in ihrer jetzigen Form. Man sollte sich überlegen, ob man diese als Krankenhaus, ambulantes Zentrum oder Pflegeeinrichtung benötigt.

Mein Ansatz löst die Probleme Schritt für Schritt, während der andere Ansatz sie auf fünf bis zehn Jahre vertagt, was zu katastrophalen Konsequenzen führen kann. Die Menschen werden denken, dass mit einer Krankenhausreform alles besser wird, nur um festzustellen, dass sich die Situation noch verschlimmert.

Abschließend ist klar, dass wir nicht nur ein Finanzierungsproblem, sondern auch einen massiven Personalmangel haben, der dringend angegangen werden muss. Und jetzt muss ich mal mit einem Gedanken aufräumen. Wenn wir so weitermachen, dann hätten wir tatsächlich zu wenig Ärzte und Pflegende. Aus drei Gründen:

Zum einen, weil wir für all die Strukturen noch viel mehr bräuchten, um die zu bedienen, auch wenn sie nur zu 60, 50 Prozent ausgelastet wären. Zweitens, weil die Menschen dann noch mehr unter diese Belastung sich aus dem Beruf zurückziehen würden. Und drittens, weil wir dann tatsächlich auch insgesamt das Gesundheitswesen, die Gesundheitswirtschaft als einen Zweig definiert hätten, der staatlich geregelt irgendwie funktioniert, wie wir das von Staatssystemen halt auch kennen.

Und diese drei Themen sind für das Personal schwierig. Vor allem, wenn Sie die Niedergelassenen noch bedenken, die ja im Bereich der ambulanten Versorgung Unternehmer sind. Oder wenn Sie viele Träger bedenken, die auch unternehmerisch agieren im Gesundheitswesen. Wir brauchen also etwas, was das verändert.

Und wir können das nur lösen, indem wir das System ändern und das vorhandene Personal besser eingesetzt wird. Das Arbeitsumfeld muss verbessert werden, sodass Menschen wieder gerne Arzt und Pflege sind. Und wir schauen, dass sich das Image insgesamt, das wir in Deutschland für die Wirtschaft, aber auch insbesondere für die Gesundheitswirtschaft haben, verändert. Wenn wir das alles schaffen, habe ich keine Sorge, dass wir massive Personalprobleme bekommen werden. Wir werden immer regionale Probleme haben, aber wir werden kein systemisches Problem mehr haben. Regional ist es klar, manche Menschen wollen eben nicht hier oder da leben, da muss man dann mit Telemedizin arbeiten. Wir werden nicht überall Ärzte und Pflegende hinbekommen, wie wir auch nicht überall andere Berufe hinbekommen. Aber das systemische Problem lässt sich lösen.

Wenn Sie eines bedenken, wir haben die meisten Ärzte in Deutschland und die meisten Pflegenden im Vergleich international. Also ist nicht die Menge das Problem, sondern wie wir sie einsetzen. Die Kernbotschaft ist, make more with less, habe ich verstanden. Ich würde vorschlagen: make more with the same. Wir haben ja den Vorteil, dass wir sagen können, das reicht uns ja gegenwärtig schon. Das ist der Vorteil, dass wir nicht im klassischen Kapitalmarkt Unternehmertum sind. Es ist schon gut, wenn wir sagen, mit dem jetzigen Geld schaffen wir es besser. Und das ist etwas, was mich zuversichtlich stimmt. Im Gesamtsystem liegt so viel Geld begraben und versteckt. Dass muss man heben, das sagt auch Karl Lauterbach ja immer wieder, da hat er rdecht. Dann hat man natürlich wiederum im System mehr verfügbar für das, was man braucht.

Harald Linné: Ich bin mehr als neugierig, das Buch zu lesen. Ich würde gerne auf ein Thema nochmal zu sprechen kommen, wo Sie ja eine unfassbare, um nicht zu sagen, einzigartige Erfahrung vorweisen. Sie haben 20 Jahre lang Kliniken aufgebaut, umgebaut, integriert. Was sind Ihre Erkenntnisse? Wie haben Sie es geschafft, ich sage mal, verlustmachende Krankenhäuser so umzubauen, dass sie wieder profitabel geworden sind?

Gerade ein privater Träger wie Helios, später Fresenius, war ja darauf aus, nicht nur breakeven zu sein, sondern Sie sind ja auch im Kapitalmarkt, müssen entsprechende positive Renditen vorweisen. Was sind Ihre Erkenntnisse? Was waren Ihre Handlungsfelder? Was waren die Hebel, mit denen Sie es geschafft haben, diese Krankenhäuser profitabel zu machen? Und Sie hatten ja gerade schon die beiden Hauptankerpunkte genannt. Qualität auf der einen Seite, aber auch Performance bzw. Rendite auf der anderen Seite.

 

Francesco De Meo
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„Es braucht eine Lösung, die die Versorgung durch kleine Kliniken sicherstellt, aber vielleicht nicht in ihrer jetzigen Form. Man sollte sich überlegen, ob man diese als Krankenhaus, ambulantes Zentrum oder Pflegeeinrichtung benötigt. Mein Ansatz löst die Probleme Schritt für Schritt, während der andere Ansatz sie auf fünf bis zehn Jahre vertagt, was zu katastrophalen Konsequenzen führen kann. Die Menschen werden denken, dass mit einer Krankenhausreform alles besser wird, nur um festzustellen, dass sich die Situation noch verschlimmert.“

Francesco De Meo

Francesco De Meo: Als Kliniksanierer, das war ja meine Zeit, bestimmt 15 Jahre lang, habe ich ganz viel selbst saniert. Jetzt kann man sich die Frage stellen, was haben wir denn saniert? Und ich habe im Buch auch eine schöne Episode beschrieben, wo ich sage, wir haben Patienten behandelt, nämlich den Patient Krankenhaus.

Das heißt, die Krankenhäuser, die wir antrafen, die waren, so wie heute auch viele andere, insolvent oder nahe der Insolvenz. Damals noch mit einer anderen, höheren Vergütung sogar, aber eben insolvent, nahe der Insolvenz, große Investitionsstaus. Und wir haben uns die Frage gestellt, warum ist das so? Zum Beispiel gab es keine Teamaktivität zwischen den verschiedenen Berufsgruppen oder den Fachbereichen, es gab keinen Blick auf die Zahlen, weil sie gar keine Zahlen hatten, weil sie keinen Überblick hatten, was denn wer wo kauft, zu welchem Preis.

Oder Sie stellen fest, dass sie die Menschen irgendwie einsetzen, aber nach welchen Organisationsplänen, nach welchen Dienstplänen etc. Heute noch hat in den Krankenhäusern, viel mit Organisation und Motivation zu tun , mit Team-Überzeugungsarbeit, interdisziplinär, fachübergreifend.

Und wenn Sie das alles betrachten, dann werden Sie feststellen, wenn man das gut macht, wird es schon besser. Ich sprach deshalb nie von Sanierung, sondern von Reorganisation. Warum? Jeder, der außerhalb des Gesundheitswesens als Unternehmer tätig ist, der hat ja seinen Profit, den er im Wettbewerb irgendwie erwirtschaften muss. Und das ist im Gesundheitswesen ähnlich, doch nicht so. Die Bezahlung im Krankenhausumfeld wurde ab 2004 auf eine Fallpauschale umgestellt. Und die ist für alle Krankenhäuser gleich. Das heißt, wir bewegen uns also in einem Umfeld, wo jeder für die gleiche Leistung das gleiche Geld bekommt. Und jetzt stellt sich natürlich die einfache Frage, wenn jeder das gleiche Geld für die gleiche Leistung bekommt, warum machen die einen Verluste und die anderen Profit?

Wir sagten, wir müssen mal entdecken, wo denn das Geld hingeht, wo es nicht hingehen soll. Und wir müssen das Geld dorthin lenken, wo es dazu führt, dass wir besser organisieren. Wir haben herausgefunden, dass man weniger Personal braucht. Das heißt, da war einfach das Personal entweder falsch oder nicht zutreffend eingesetzt. Oder wir hatten das falsche Personal. In der Pflege haben wir Arbeitsteilungen eingeführt und gesagt, wir müssen unterscheiden, was braucht man nah am Bett? Was braucht man für die Versorgungsthemen wie Bettenmachen, Essen bringen, etc.? Wenn man das aufsplittet, hat man ein anderes Berufsbild und kann dann sagen, ich bezahle auch unterschiedlich. Wir haben viele einfache Managementthemen aufgegriffen, um aus einem insolventen Klinikum ein wirklich profitables zu machen.

Und dann war unser wichtigster Faktor die Qualität. Es hieß ja immer, wenn ein Privater kommt und all diese Maßnahmen aufgreift, saniert oder ich sage reorganisiert, dann führt das zu schlechter Qualität.Wir haben gezeigt, dass das nicht der Fall ist, sondern das Gegenteil. Wir haben von Anfang an gesagt, wir müssen Qualität transparent machen und haben im Internet Qualitätsindikatoren gezeigt, die mittlerweile von knapp 600 Krankenhäusern in Deutschland verwendet werden und die das gesetzliche System in der Schweiz geworden sind und in Österreich auch benutzt werden.

Harald Linné: Sie haben mit Helios bzw. Fresenius ein wirklich einzigartiges, erfolgreiches Krankenhaussystem aufgebaut, das, wie Sie sagten, sowohl Qualität als auch wirklich Rendite erwirtschaftet. Gerade das Thema Rendite ist etwas, was in vielen deutschen Krankenhäusern leider im Moment nicht mehr gewährleistet wird. Würde es nicht Sinn machen, dass man diesen Ansatz sogar auf ganz Deutschland, auf alle Kliniken in Deutschland ausrollt? Weil Sie haben ja so viel Erfahrung, gerade das Thema Qualität und wie ich sagte, Performance in den Mittelpunkt zu rücken. Das ist doch eigentlich ein Prototyp, den Sie gebaut haben, ein Benchmark für den Rest von Deutschland, oder?

Francesco De Meo: Ja und nein. Ja, weil das werden Sie im Buch sehen. Es ist tatsächlich so, dass mich die Qualität auf der einen Seite und die ökonomische Exzellenz auf der anderen Seite antreiben. Das Nein: Bei Helios ging es um die Behandlungsqualität, primär im Akutkrankenhaus. Beim Gesundheitssystem geht es um die Versorgungsqualität insgesamt. Das heißt, wenn Sie die Gesamtversorgungsqualität betrachten, müssen Sie einiges an dem, was für die Krankenhäuser gegenwärtig sehr spannend ist, vielleicht verändern. Mit dem Ansatz werden Sie im Akutbereich nicht zwingend die Profitabilität erhöhen, sondern zumindest modellieren, dass es nach den Regionen anders aussieht.

Im gesamten deutschen Gesundheitssystem geht es um Versorgungsqualität über die Sektoren hinweg, und da ist Helios nur ein kleiner Teil. Was die ökonomische Exzellenz betrifft, geht es bei Helios immer um die Exzellenz im Umgang mit dem Geld aus dem System. Jeder bekommt das gleiche Geld, aber ich gehe damit besser um, also bleibt etwas übrig. Das ist bei der ökonomischen Exzellenz im Gesundheitssystem nicht so. Da geht es darum, dass man das definierte Geld optimal einsetzt, ohne dass höhere Beitragssätze oder mehr junge Menschen zur Verfügung stehen. Wir haben Probleme mit der Geldentwicklung im Versicherungsbereich, und deshalb besteht die ökonomische Exzellenz darin, sicherzustellen, dass das Geld ideal eingesetzt wird. Das ist komplexer als bei Helios, wo es nur darum ging, das Geld besser einzusetzen. Im Gesundheitssystem geht es darum, das Geld besser zu verteilen, unter Berücksichtigung der Krankenhauslandschaft, aber nicht nur.

Franceso De Meo
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„Wir sprechen hier vom Gesundheitswesen, das in Deutschland oft noch als solches bezeichnet wird. Ich bevorzuge den Begriff Gesundheitswirtschaft, denn es ist ein großer Wirtschaftsfaktor. Die Frage ist, in welchem Maße Wettbewerb eine Rolle spielt. Bei Helios hatten wir immer zwei Maßstäbe: Qualität und ökonomische Exzellenz. Überträgt man diese Maßstäbe auf die gesamte Volkswirtschaft, kann man viel lernen – mit einem breiteren, nicht profitorientierten Blick.“

Franceso De Meo
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