Expertentalk
Wachstumschance Golfstaaten für die Bau- und Baustoffbranche
Welche konkreten Chancen bietet der boomende Immobilienmarkt in den Golfstaaten für deutsche Bauunternehmen und Bauzulieferer?
Darüber spricht Atreus Direktorin Jessica Breuer im Expertentalk mit Atreus Manager Peter Kubermann.
„Unternehmen profitieren insbesondere von einer sehr unbürokratischen Gründungspolitik und von Steuererleichterungen sowie dem Zugang zu Fach- und Arbeitskräften, zu Fach- und Führungskräften.“
Im Folgenden finden Sie eine Abschrift des Expertentalks, die aus Gründen der Deutlichkeit bearbeitet wurde.
Jessica Breuer: Liebes Atreus-Netzwerk, ich darf Sie zum heutigen Experten-Talk zum Thema “Neue Absatzmärkte in der GCC-Region” begrüßen. Was ist die Motivation für deutsche Unternehmen, dort Fuß zu fassen, und was muss man beachten? Dafür habe ich heute einen Interim Manager und Experten unseres Netzwerks eingeladen und darf Peter Kubermann begrüßen. Hallo Peter, schön, dass du da bist.
Peter Kubermann: Hallo Jessica, vielen Dank für die Einladung.
Jessica Breuer: Peter ist ein erfahrener Unternehmensberater und Interim Manager im C-Level, der über 25 Jahre Management-Erfahrung bei großen Unternehmen und Konzernen wie BMW oder Electrolux mitbringt, unter anderem aber auch bei familiengeführten KMUs wie Rational, Schlüter Systems oder Odenwald-Faser-Plattenwerk. Seit über 15 Jahren ist er mittlerweile in klassischen Interim-Management-Funktionen, im vertriebsnahen Umfeld, international tätig und bringt über 20 Jahre Erfahrung im GCC-Raum mit. Unlängst konnte er eine für ein mitteleuropäisches Unternehmen die Middle-East-Niederlassung im Mittelstand-Bauzulieferbereich leiten und hat daraus frische Insights mitgebracht, die er heute mit uns teilen möchte.
Peter Kubermann: Sehr gerne.
Jessica Breuer: Lieber Peter, vielleicht lässt du uns zu Beginn die Größenordnung einordnen: Was bedeutet GCC? Wie groß ist der Raum flächenmäßig und welche weiteren Facts kannst Du uns zu GCC mitgeben?
Peter Kubermann: Also der Golf Cooperation Council, kurz GCC genannt oder auch Golf Kooperationsrat, ist ein loser Staatenverbund, der sich zwischen dem Roten Meer und dem Persischen Golf befindet, sechs Länder umschließt und insgesamt 61 Millionen Einwohner umfasst. Die beiden größten Länder stellen das Königreich Saudi-Arabien dar, mit ca. 37 Millionen Einwohnern, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate mit fast 11 Millionen Einwohnern. Dabei handelt es sich um relativ große Volkswirtschaften, vor allem mit einer sehr starken Wachstumsdynamik, beide Länder wachsen zwischen 7 und 8 Prozent. Das sind Wachstumsraten in Größenordnungen, in denen man im deutschsprachigen Raum, aber auch in ganz Europa nur träumen kann. Deshalb ist es sicherlich für mittelständische Unternehmen ein sehr interessanter Markt.
Jessica Breuer: Es wurde eine große Transformation angekündigt, welche auch Zuzug und Internationalität beinhaltet. Was steht da besonders im Fokus?
Peter Kubermann: Also die beiden Länder, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, haben sogenannte strategische Agenden. In Saudi-Arabien heißt es Vision 2030 KSA und in den Vereinigten Arabischen Emiraten Dubai 2033. Und beide Agenden beinhalten nicht nur eine soziale, politische, vor allem aber auch eine wirtschaftliche Transformation ihrer Länder, um sich von fossilen Brennstoffen der Haupteinnahmequellen Erdöl und Erdgas unabhängig zu machen. Dabei werden folgende Sektoren besonders gefördert: Technologie, also Tech-Unternehmen, E-Commerce, künstliche Intelligenz, aber vor allem auch der Immobilien- und Bausektor, Logistik und Handel, aber auch Luftfahrt, Tourismus und Gasgewerbe.
Jessica Breuer: Der Immobilien- und Bausektor, auch Bauzuliefersektor, hat aktuell natürlich einen besonderen Stellenwert bei diesem Ausbau. Was können wir uns darunter vorstellen?
Peter Kubermann: Der Bausektor wächst in beiden Ländern ungefähr parallel zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum mit ca. 7% jährlich im Durchschnitt in den nächsten fünf Jahren. Und sicherlich haben einige von Ihnen ja auch schon von diesen sogenannten Landmark-Projekten gehört. In Saudi-Arabien ist es das Neon-Projekt mit The Line und mit Oxagon, aber auch Smart-Cities wie New Mooraba und Al Muqab werden dort gebaut. Das sind Gebäudekomplexe in einer Größenordnung, in der ca. 20 Empire State Buildings Platz haben. In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist es ähnlich, dort wird ja die schon vor 15 Jahren fertiggestellte sogenannte Jebel Ali-Palme, die zweite Palme, jetzt bebaut. Diese Palme ist doppelt so groß wie die bisherige Jumeirah, sogenannte Jumeirah-Palme und wird 2000 Villen und 90 Luxushotels und riesige Shopping-Malls beinhalten. Das sind natürlich enorme Projekte, die für dieses Wachstum im Bausektor sorgen. Dazu kommen natürlich auch noch Infrastrukturprojekte wie der Ausbau des Straßennetzes, die Modernisierung von Flughäfen und Häfen.
Jessica Breuer: Für welche Branchen oder Unternehmen ist das gerade besonders spannend?
Peter Kubermann: Der Immobilien- und Bausektor umschließt viele andere Branchen dieser strategischen Agenten, wie z.B. Tourismus, aber auch das Gastgewerbe. Daher sind deutsche Hersteller, die sich im Baugewerbe bewegen sehr gefragt. Das können sämtliche Produkte des Innenausbaus sein, Boden, Wand, Decke, aber auch Heizung, Lüftung, Klima, Küchenausstattung, Möbel, Holzhersteller, Beschläge. Wenn es um Outdoor geht, Pools und Spas.
Jessica Breuer: Es migrieren viele Europäer, auch deutsche Familien nach GCC. Was darf ich mir so als Unternehmenskultur, als Willkommen vorstellen?
Peter Kubermann: Die Ansiedlung sowohl ausländischer Unternehmen wie auch ausländischer Professionals, Experts, wie man so schön sagt, wird von beiden Staaten besonders durch diverse finanzielle und wirtschaftliche Anreize gefördert . Die Willkommenskultur drückt sich sicherlich heute schon durch einen sehr hohen Migrationsanteil in beiden Ländern aus, so haben die Vereinigten Arabischen Emiraten einen Ausländeranteil von 89%, in Saudi-Arabien sind es immerhin 37%. Und Unternehmen profitieren insbesondere von einer sehr unbürokratischen Gründungspolitik und von Steuererleichterungen, sowie dem Zugang zu Fach- und Arbeitskräften, zu Fach- und Führungskräften. Der bürokratische Part ist in Deutschland anders. Beide Länder sind eigentlich zu 100% durchdigitalisiert, deswegen dauern sämtliche Gründungs- und Beantragungsvorgänge vergleichsweise kurz.
Jessica Breuer: Spannend. Können wir uns auch noch was auf unsere digitale Agenda setzen.
Peter Kubermann: Absolut.
Jessica Breuer: Für manche Unternehmen sind Geschäfte dort Neuland, aber es sind ja doch schon einige Unternehmen dort, die relativ früh schon dort waren.
Peter Kubermann: Es gibt in den Vereinigten Arabischen Emiraten heute schon 1200 deutsche Unternehmen und in Saudi-Arabien 800 Unternehmen, die dort vor einigen Jahren schon gegründet haben. Dafür gibt es namhafte Beispiele wie zum Beispiel den Holzhersteller Pfleiderer, Fensterhersteller Schüco, auch den Logistikprovider Hellmann Logistics. Also da gibt es eine Vielzahl von Unternehmen, größerer, aber auch mittelständischer Natur.
Jessica Breuer: Was sind konkrete Vorteile oder Motivationsgründe dort zu gründen?
Peter Kubermann: Also ich würde die Motivation in zwei Teilbereiche gliedern. Zum einen ist es natürlich der Zugang zu 400 Millionen Konsumenten in der sogenannten MENA-Region, das ist Middle Eastern North Africa, die sich wirklich in direkter Nähe befinden. Aber natürlich auch als Fern-Ost-Hub, weil aufgrund der strategischen Lage ist also der gesamte Ferne Osten in weniger als fünf Flugstunden zu erreichen. Und dadurch gewinnen Hersteller natürlich Zugang zu drei Milliarden weiteren Konsumenten. Das heißt, viele nutzen eben den Standort auch als Logistikzentrum.
Jessica Breuer: Was sind die Motivationsfaktoren, die ich als Unternehmen haben könnte, um dort zu gründen und Fuß zu fassen?
Peter Kubermann: Also oft unterhalten ja Firmen schon Geschäftsbeziehungen in der Region, entweder über Handelsvertreter oder über Distributeure. Sie stellen fest, dass aufgrund der Wachstumsdynamik die Nähe an die Kunden erforderlich ist. In der MENA-Region, also Middle East North Africa, sprechen wir von 400 Millionen Konsumenten, die es zu erreichen gilt. Im Fern-Ost nutzen viele Unternehmen die Region auch als logistischen Hub in Höhe von drei Milliarden Konsumenten. Weitere Gründe hierfür sind natürlich die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und natürlich auch die steuerlichen Vorteile, die man in diesen beiden Ländern genießen kann.
Jessica Breuer: Wie darf ich mir die Firmengründung vorstellen? Wie läuft sowas ab?
Peter Kubermann: Also bei der Firmengründung unterstützen natürlich die Außenhandelskammern. Das sind in Saudi-Arabien die sogenannte Gizalo, das ist das German-Saudi-Liaison-Office. Und in den Vereinigten Arabischen Emiraten, das German Emirati Joint Council for Industry and Commerce. Bei der juristischen Firmengründung unterstützen zahlreiche deutsche Rechtsanwaltskanzleien vor Ort, aber auch sogenannte Freihandelszonen. In Saudi-Arabien wurden gerade vier große Freihandelszonen gegründet. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es immerhin 44 Freihandelszonen, die Unternehmen natürlich anlocken, und zwar mit vielen finanzwirtschaftlichen, aber auch Dienstleistungsanreizen, wie zum Beispiel eine schnelle Firmengründung, zum Teil mit eigenen Rechtsformen, 100 Prozent Eigentümerschaft, also die Möglichkeit, eine Firma zu gründen, ohne die Notwendigkeit eines emiratischen oder saudischen Sponsors, sofern diese Firmengründung in dieser Freihandelszone stattfindet.100 Prozent Steuerbefreiung für persönliche Einkommenssteuer und auch Befreiung von Zoll- und Körperschaftssteuer.
Jessica Breuer: Jetzt sind wir mit deutschen Rechtsformen wohl vertraut, aber kennen sie natürlich nicht in den GCC. Was kannst du uns dazu mitgeben?
Peter Kubermann: Bei der Rechtsformwahl empfiehlt sich auf jeden Fall die enge Zusammenarbeit mit einer der vielen ansässigen deutschen Rechtsanwaltskanzleien vor Ort. Die Rechtsformen sind durchaus vergleichbar mit denen, die wir in Deutschland oder in Europa vorfinden. Die begehrteste ist natürlich die sogenannte LLC, die Limited Liability Company, ähnlich unserer deutschen GmbH, auch aufgrund ganz geringer Voraussetzungen und einer sehr schnellen Beantragung und auch Firmengründungsabwicklung. Es gibt aber daneben noch natürlich auch Aktiengesellschaften, sogenannte Joint Stock Companies. Wenn man etwas kleiner beginnen will, dann gibt es die Möglichkeit, eine sogenannte Niederlassung zu gründen als Außenstelle der Muttergesellschaft oder auch ein Representative Office. Diese beiden Formen sind allerdings, was die Handlungsfähigkeit angeht, sehr stark eingeschränkt. Also da sollte man schon auch wirklich steuerlichen Rat und vor allem juristischen Rat zu Rate ziehen.
Jessica Breuer: Schnelle und auch zielgerichtete Prozesse sind ein Motivator aus meiner Sicht, gerade weil wir das im Moment anders erleben. Wenn es um den Bereich Arbeitskräfte geht ist das auch ein spannender Faktor fürs Unternehmen. Ohne die Mitarbeiter geht gar nichts. Ich kann einen Teil migrieren, was Fachkräfte im Zweifel angeht. Wie sieht der Arbeitsmarkt dort aus? Auf was muss ich mich vorbereiten als Unternehmer?
Peter Kubermann: Also aufgrund der hohen Anreize, die beide Länder bieten, gibt es natürlich eine Vielzahl von Fach- und Führungskräften. Das drückt sich natürlich auch letztendlich in dem hohen Migrationsanteil aus. Es gibt auf deutschsprachige Firmen spezialisierte Personalberater. Arbeitsrechtlich sieht es so aus, dass Arbeitsverträge in der Regel befristet sind auf maximal drei Jahre. Unbefristete Verträge sind nicht mehr gestattet, mit einer gesetzlich festgelegten Probezeit von sechs Monaten.
Jessica Breuer: Also ähnlich wie bei uns? Wie sind diese Verträge dann auch verlängerbar? Was muss ich denn als Freelance- oder Interim-Manager beachten?
Peter Kubermann: Es gibt zwei Möglichkeiten. Man kann zum einen als Interim-Manager oder als Berater eine sogenannte Consultants-License oder eine Freelance-License beantragen. Kosten hierfür belaufen sich auf zwischen 1500 und 2000 Euro. Die Übernahme ist natürlich Verhandlungssache und das ist letztendlich innerhalb von zwei bis drei Arbeitswochen bewerkstelligt. Es besteht allerdings darüber hinaus, die schnellere Variante, sich quasi pro forma vom Kundenunternehmen anstellen zu lassen. Das heißt, der Interim-Manager schreibt ganz normal seine Rechnung über 95 Prozent seines Honorars und ein gewisser kleiner Anteil des Gehaltes wird auf ein lokales Bankkonto vor Ort überwiesen. So gilt der Interim-Manager, der per se ja eigentlich freiberuflich ist, als Angestellter vor Ort und braucht hierfür natürlich auch ein Arbeitsvisum und einen sogenannten befristeten Personalausweis.
Jessica Breuer: Du bist Interim-Manager, du bist der Experte. Wo können wir denn, Atreus, Interim-Manager, wo kann Peter Kubermann an dieser Stelle Unternehmen unterstützen, die das Vorhaben haben, darüber zu gehen?
Peter Kubermann: Also wir können natürlich beides tun. Wir können zum einen klassische Business Development Arbeit leisten. Das heißt Geschäftsanbahnung, den Markteintritt planen, ohne dass es notwendigerweise möglicherweise zu einer Gründung einer Gesellschaft führt. Man kann natürlich aber auch operativ die Gründung einer Gesellschaft begleiten. Interim-Manager von Atreus verfügen natürlich auch über entsprechende lokale Netzwerke an Professional Service Providern, die diesen Prozess entsprechend beschleunigen. Dann sind natürlich weitere Einsatzmöglichkeiten denkbar, wie eine klassische Vakanzüberbrückung im Falle, wenn sich ein Unternehmen von dem lokalen Management trennen sollte. Und hier ist es natürlich gut, wenn man auf Interim-Manager zurückgreifen kann, die Land und Leute kennen und über die interkulturelle Kompetenz verfügen.
Jessica Breuer: Ich danke dir für deine Insights. Liebes Netzwerk, ich hoffe auch Ihnen hat das eine Gedenkanstöße mitgegeben. Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Sie an dieser Stelle unterstützen können. An dieser Stelle sagen wir dann vielen Dank und auf Wiedersehen. Bis zum nächsten Mal!
„Zum einen ist es natürlich der Zugang zu 400 Millionen Konsumenten in der sogenannten MENA-Region, das ist Middle Eastern North Africa, die sich wirklich in direkter Nähe befinden. Aber natürlich auch als Fern-Ost-Hub, weil aufgrund der strategischen Lage ist also der gesamte Ferne Osten in weniger als fünf Flugstunden zu erreichen. Und dadurch gewinnen Hersteller natürlich Zugang zu drei Milliarden weiteren Konsumenten. Das heißt, viele nutzen eben den Standort auch als Logistikzentrum.“