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Frühjahresbarometer Restrukturierung und Transformation 2024

ESG-Kriterien spielen bei Restrukturierungsprozessen überraschend geringe Rolle

Die neue Studie von Atreus zeigt, dass ESG-Kriterien in Restrukturierungsprozessen bislang eine überraschend geringe Rolle spielen. Über 80 Prozent der befragten Spitzenführungskräfte haben noch nie erlebt, dass Restrukturierungen aufgrund von ESG-Kriterien scheiterten. Was sind jedoch andere Herausforderungen die Restrukturierungen oder Transformationen erfordern oder mit sich bringen?

© Alex – stock.adobe.comatreus_content 2u3 sp 1 studie restrukturierung und transformation 2021

Konjunkturelle Herausforderungen

Die wirtschaftliche Lage Deutschlands bleibt angesichts aktueller globaler und lokaler Verwerfungen indes angespannt. Fast die Hälfte der befragten Führungskräfte sieht in den nächsten 12 Monaten keine wesentlichen konjunkturellen Verbesserungen, während ein Drittel sogar von einem Abschwung ausgeht. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 542 Spitzenführungskräfte der deutschen Wirtschaft wie Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte sowie Interim Manager aus verschiedenen Branchen detailliert befragt.

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„Unsere Studie zeigt, dass insbesondere in traditionellen Industrien dringender Handlungsbedarf besteht. Dabei geht es für die Unternehmen zunächst weniger um die konsequente Umsetzung und Berücksichtigung von ESG-Kriterien, sondern in erster Linie darum, den Turnaround mit effektiven Maßnahmen zu schaffen und sich kompetente Hilfestellungen von außen an Bord zu holen, um in diesen kritischen Zeiten strategische Neuausrichtungen und operative Verbesserungen entscheidend voranzutreiben.“

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Branchenspezifische Krisen und Herausforderungen

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass insbesondere die Automobilbranche, Industriegüter und der Maschinen- und Anlagenbau stark unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen leiden. Rund die Hälfte der Befragten erwartet dabei sogar eine Verschlechterung der Lage in diesen Branchen. Die Hauptursachen für die erheblichen Schwierigkeiten in den betroffenen Sektoren sind Absatz- und strategische Krisen (63 Prozent) sowie Ergebnis- und Liquiditätskrisen (55 Prozent), beeinflusst durch Faktoren wie Fachkräftemangel und politische Hürden. Dagegen haben sich IT, Tourismus und Energieversorger positiver entwickeln können. Sie sind krisenresistenter und können sich in der Phase des aktuellen wirtschaftlichen Abschwungs besser behaupten.

Zunahme des Restrukturierungsbedarfs und Krisenmanagement

Über die Hälfte der Studienteilnehmer sagt einen signifikanten Anstieg beim Restrukturierungsbedarf deutscher Unternehmen voraus – und das branchenübergreifend. Die häufigsten Krisen sind dabei auf Absatz- und Strategieprobleme zurückzuführen, gefolgt von Ergebnis- und Liquiditätskrisen. Diese teils existenzbedrohenden Herausforderungen sind oft die Folge von exogenen Faktoren wie dem Fachkräftemangel, steigenden Energiepreisen und geopolitischen Krisen.

Bei den internen Ursachen sind es in erster Linie ineffiziente Strukturen und Prozesse, ein mangelnder Digitalisierungsgrad, fehlender Leadership und Umsetzungsstärke sowie mangelnde Managementkompetenzen, die den stärksten Einfluss auf die Krisenlage haben.

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„Obwohl ESG-Kriterien derzeit in Restrukturierungen unterrepräsentiert sind, zeigt unsere Erfahrung aus dem operativen Geschäft, dass ihre Integration für Unternehmen zunehmend kritisch wird. Um diese Kriterien strategisch zu implementieren, ihre Finanzierungsmodelle zu diversifizieren und ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, müssen sie nicht selten an die Hand genommen werden.“

Klare Tendenzen einer drohenden Deindustrialisierung sind zu erkennen

Die Debatte über eine drohende Deindustrialisierung Deutschlands wird schon seit längerem kontrovers geführt. In diesem Zusammenhang zeigt auch die aktuelle Atreus Studie klare Tendenzen auf, die bedenklich stimmen: Rund 85 Prozent der Befragten geben an, dass sie in ihrem Umfeld Tendenzen einer Deindustrialisierung sehen. Am häufigsten handelt es sich dabei um die Verlagerung von Standorten (27 Prozent), gefolgt von Investitionsentscheidungen zugunsten des Auslands (Osteuropa, Nordamerika, Asien) bis hin zur kompletten Schließung von Standorten.

Die drei wesentlichsten Treiber der Transformation in der deutschen Wirtschaft werden klar benannt: An erster Stelle steht eindeutig der Innovationsdruck (neue Produkte, neue Services, neue Prozesse), fast exakt gleichauf an zweiter Position stehen Preis- bzw. Kostendruck sowie Digitalisierung. Auf dem dritten Platz rangiert die weltwirtschaftliche Entwicklung.

Im Kontext einer nachhaltigen Restrukturierung besonders im Fokus stehen die Verschlankung der Prozesse und Strukturen (79 Prozent), die Veränderung oder Anpassung des Geschäftsmodells (66 Prozent) sowie die Intensivierung der Digitalisierungsinitiativen (61 Prozent).

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„Sowohl endogene als auch exogene Einflussfaktoren wirken sich in der momentanen Lage massiv negativ aus und bedingen sich mitunter gegenseitig. Nicht selten sind die Krisen auch hausgemacht, da das Management der Unternehmen und Konzerne zu wenig weitsichtig war. Umso wichtiger ist es, die betroffenen Unternehmen nun durch diese komplexen, oftmals multiplen Krisenszenarien zu navigieren. Es gilt, Restrukturierungsprozesse so zu gestalten, dass sie nicht nur kurzfristige Probleme lösen, sondern auch langfristige Wettbewerbsvorteile schaffen.“

Die Bedeutung von ESG für finanzielle Margen und Unternehmensüberleben

Die Studie zeigt überdies ein gemischtes Bild hinsichtlich der Rolle von Nachhaltigkeitskriterien bei finanziellen Margen. Während 44 Prozent der Befragten ESG nicht als wesentlichen Bestandteil einer auskömmlichen Marge erachten, sieht ein Drittel dies jedoch anders. Interessanterweise glaubt die Mehrheit, dass ESG-Kriterien nicht unbedingt dazu beitragen, das Überleben von nicht wettbewerbsfähigen „Zombieunternehmen“ zu verhindern. Insofern wird auch an dieser Stelle deutlich, dass das Thema ESG zumindest aktuell noch eine eher untergeordnete Rolle bei Restrukturierungen spielt.

Dass in diesem Kontext auch die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen und Management in Deutschland in den letzten Jahren abgenommen hat, sehen fast drei Viertel der Antwortenden so (73 Prozent). Ein Fakt, der in Anbetracht der schwierigen Gesamtlage der deutschen Wirtschaft allerdings kaum verwundern kann.

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