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A·lounge

Das Amazon-Dilemma: Wie halt’ ich meine Endkunden?

am 22. Oktober 2019 in Berlin

„Mit oder ohne Amazon gegen den Rest der Welt?“

Mit mehr als einem Viertel am deutschen E-Commerce-Umsatz ist Amazon mit deutlichem Abstand der größte Onlineshop Deutschlands, vor Otto und Zalando. Zusammen vereinen die drei Plattformen einen signifikanten Teil des gesamten E-Commerce-Umsatzes auf sich — Tendenz stark steigend. Welche Strategien haben Hersteller und Händler von Konsumgütern, um ihr Geschäftsmodell darauf erfolgreich auszurichten? Sind sie zu Kooperationen mit Amazon & Co. gezwungen, um den Zugang zum Konsumenten zu erhalten? Und verlieren sie dabei automatisch Marge und die Kontrolle über wertvolle Daten?

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„Ob Hersteller oder Händler, Markenartikel oder Eigenmarke: Unternehmen sollten den Mut haben, Neues auszuprobieren und dürfen digitale Trends wie die Vermarktung über digitale Plattformen nicht negieren. Der Kunde muss dabei immer im Mittelpunkt stehen.“

Kernthesen zum Amazon-Dilemma

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Digitaler Vertrieb ohne Amazon ist möglich und teils unverzichtbar.

Mehr als drei Viertel (77 %) unserer rund 300 Gäste vor Ort und im Livestream glauben: Ja, eine Digitalisierung in den Branchen Konsumgüter und Handel kann ohne Amazon erfolgreich sein. Angesichts der Übermacht der großen Handelsplattformen mag diese Ansicht überraschen. Im Verlauf der Diskussion wurde aber deutlich: Gerade starke Marken würden sich durch die Nutzung dieses Vertriebskanals selbst zerstören: „Amazon ist eine Vertriebsplattform, die wir als Luxusmarke nur eingeschränkt nutzen können“, sagt Oliver Gößler, Managing Director Europe bei Montblanc. „In unserer eigenen Welt können wir unsere Produkte besser darstellen und erlebbar machen.“

Amazon ist zwar mit Abstand Marktführer, darf aber nie der einzige digitale Vertriebskanal bleiben.

So sieht es Valeska Benner. Als Gründerin und Geschäftsführerin des E-Commerce Start-ups SportMarken24 unterstützt sie mehr als 200 stationäre Händler bei der Platzierung ihrer Produkte auf Online-Marktplätzen. Dazu bietet sie ein Full-Service-Paket an, in dem sie alle E-Commerce-Aktivitäten ihrer Kunden bündelt. Ihre Erfahrung: „Ja, mit Amazon ist gutes Geschäft möglich — ich würde mich aber nie in eine Abhängigkeit begeben. Es ist sehr wichtig, mehrere Kanäle parallel aufzubauen.“ — „Amazon kann zugleich Segen und Fluch sein“, bestätigt Hamid Dastmalchian, Director Coffee Preparations Systems bei Tchibo, das nur in ausgewählten Bereichen mit der Handelsplattform zusammenarbeitet: „Gerade für Newcomer im Online-Business sind die Reichweite und das Fulfillment natürlich ein starkes Argument für die Kooperation mit Amazon.“

In Sachen Kundenzufriedenheit kann man Amazon nichts vormachen.

Weil die Zufriedenheit des (End-)Kunden so bedingungslos im Fokus steht, wollte Amazon-Gründer Bezos sein Unternehmen ursprünglich „Relentless“ nennen, wie Atreus CEO Rainer Nagel berichtet. Und tatsächlich: Was die Kundenzufriedenheit angeht, ist Amazon klar im Vorteil gegenüber anderen Vertriebskanälen, findet (nicht nur) Oliver Gößler von Montblanc. Sein Unternehmen vertreibt seit einigen Jahren ausgewählte Refill-Produkte wie Minen und Tinten über das Vendor-Modell von Amazon. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war der Wunsch, den Kunden mehr Komfort zu bieten. Und doch bleibt „Amazon für uns weiterhin ein absolutes Randgeschäft“, so Gößler. Die Experten sind sich einig: Ein klassischer Partner wie viele andere ist Amazon nicht. Der Fokus des Internetriesen liegt eben klar auf dem Endkunden – und nicht auf seinen B2B-Partnern.

Provisionen, Retourenquote und Warenkorbgröße sind im Onlinevertrieb die relevanten KPIs,

erläutert Valeska Benner von Sportmarken 24: „Besonders wichtig ist das selektive Ausspielen der Artikel je Kanal. Gerade wer mehrere Kanäle bedient, sollte immer streng kennzahlengetrieben entscheiden.“ Mit Blick auf die Preispolitik gelte es, sekündlich den Markt zu screenen: „Kanalspezifisches und dynamisches Pricing ist entscheidend“, so Benner. Luxusmarken wie Montblanc dagegen lassen sich den Preis ihrer Produkte natürlich niemals diktieren.

Wer gegen Amazon bestehen will, muss massiv investieren…

„Sprachsteuerung über Alexa & Co. wird das Kaufverhalten in den nächsten ein bis zwei Generationen stark verändern“, ist Hamid Dastmalchian von Tchibo überzeugt. „Kein Unternehmen kommt daher daran vorbei, sich Know-how in Sachen Amazon anzueignen.“ Er berichtet von fünf Münchner Unternehmen, die sich im Recruiting derzeit gegen Amazon zusammentun: „Wir brauchen Nachwuchskräfte, die diese digitale Welt gestalten können. Einen Verzicht auf Amazon können sich heute nur Firmen leisten, die das Know-how haben und über eine eigene kostenintensive Plattform agieren können.“ Dastmalchian ist zugleich überzeugt, dass vor allem Google Shopping und Wettbewerber aus China Amazon herausfordern werden.

… aber Marken müssen Amazon in Sachen „digitale Ideen“ auch nicht überflügeln.

Es sei für Marken extrem schwierig und komme auch nicht darauf an, Google oder Amazon mit digitalen Ideen zu überholen, meint Oliver Gößler als Vertreter der Luxusmarke Montblanc: „Luxus muss man anfassen können. Wir fokussieren uns als Marke darauf, dass der Kunde das Produkt erleben kann: Er soll es anfassen, damit schreiben, es ums Handgelenk binden und das Leder riechen und fühlen können. Wenn er dann von dem Produkt überzeugt ist, kann er es gern online kaufen.“ Auf Amazon sei die emotionale Komponente nur schwer zu vermitteln. Als umso wichtiger schätzt Gößler die Kompetenz einer Marke ein, dem Kunden auch offline ein begeisterndes Erlebnis zu bieten.

Im Vergleich zu Amazon hat der klassische stationäre Handel Vorteile, die er ausspielen sollte.

Predictive Selling und Nudging, also die Prognose und proaktive Beeinflussung von Kaufentscheidungen, werden den Onlinehandel in den kommenden Jahren weiter verändern. Händler müssen kreativ werden, um dem etwas entgegenzusetzen, fordert Valeska Benner. Ihr Start-up Sportmarken24 kooperiert zum Beispiel mit einem Hersteller von Laufmessgeräten, dessen System an die stationären Shops angeschlossen ist: Nach der Analyse im Laden kann der Kunde den passenden Sportschuh entweder direkt im Laden oder über Sportmarken24 bestellen. Und überhaupt: „Es gibt Kunden, die einfach nicht auf Amazon kaufen wollen.“ Tatsächlich sind in Marktbefragungen zahlreiche Vorbehalte von Endkonsumenten gegen Amazon zu beobachten, ob nun aufgrund der schieren Marktmacht der Plattform, aus CSR-Aspekten oder aus Vorsicht im Umgang mit den eigenen Daten.

Die Daten machen im E-Commerce den Unterschied, aber der direkte Kundenkontakt bleibt auch in digitalen Zeiten das A und O.

Amazon weiß immer genau, wann welcher Kunde was gekauft hat — und kann dieses Wissen zum Beispiel für die Entwicklung von Eigenmarken nutzen. Dann wird Amazon vom Partner zum Wettbewerber“, sagt Hamid Dastmalchian. Er leitet bei Tchibo seit fünf Jahren das Start-up Qbo, das ein digitales Ökosystem rund um Kaffee und eine konnektive Kaffeemaschine anbietet. Der Kunde erhält personalisierte Rezepte und -sorten, Tchibo wiederum kann die gewonnenen Daten für Kundenkommunikation und Produktentwicklung nutzen. Auch Gößler und Benner betonen die Bedeutung der Daten für die Kundenbeziehung. Doch was bedeutet das nun: Amazon: ja oder nein? „Das muss jedes Unternehmen aufgrund seines Geschäftsmodells selbst beantworten“, findet Dastmalchian. „Die wichtigere Frage lautet vielmehr: Wie kann ich mit meinem Kunden in Kontakt bleiben? Auch digitale Kunden brauchen Liebe und Aufmerksamkeit.“