5. Innovationslounge
Quantencomputing – Zukunft wird Realität
Wissenschaft und Management im Dialog – in Zusammenarbeit mit Fraunhofer Alumni: “Quantencomputing – Zukunft wird Realität”
12. Juli 2023
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Eine Zusammenfassung der Innovationslounge Quantencomputing in 8 Thesen:
1. Quantencomputing: Riesiges Marktpotenzial, vielfältige Use Cases.
Quantencomputing ist eine der Technologien, die derzeit massiv gehypt, aber bisher noch kaum verstanden werden. Dr. Hannah Venzl leitet in der Fraunhofer-Zentrale die Abteilung Projektmanagement von Großvorhaben sowie die Geschäftsstelle des Fraunhofer-Kompetenznetzwerks Quantencomputing. Sie zeigt das enorme Marktpotenzial des Quantencomputings auf: Bis 2030 soll der Markt jährlich um mehr als 20 Prozent wachsen. Die Anwendungen sind vielfältig. Sie reichen beispielsweise von der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen über die Echtzeit-Erkennung von Kreditkartenbetrug bis hin zu komplexen Optimierungsproblemen in der Wirtschaft: Wie sieht die optimale Route für mich als Paketdienstleister aus? Wann muss das Flugzeug wo aufgetankt werden? Wie belade ich meine Schiffsflotte optimal?
2. Quantencomputing: Ein Sprung wie von Abakus zu PC.
Venzl zitiert den Nobelpreisträger Bill Philips. Vor Jahren sagte er bereits, dass ein Quantencomputer sich von einem klassischen Computer so stark unterscheide wie der wiederum von einem Abakus. Venzl erklärt dies anhand der Blochkugel: Ein klassischer Computer arbeitet mit der kleinsten logischen Einheit „Bit“, der den Wert 0 oder 1 annehmen kann. Im Quantencomputing spricht man dagegen von Qubits, die ungleich komplexere Superpositionen einnehmen und auch miteinander verschränkt werden können. Bei der Blochkugel steht der oberste Punkt zum Beispiel für den Wert 1, während der unterste Punkt den Wert 0 annimmt. Der Quantencomputer kann aber – im Gegensatz zum binären Bit – jeden Punkt auf der Kugel annehmen. Daher ist der Quantencomputer exponentiell komplexer als der klassische Computer, wie wir ihn kennen.
3. Der Quantencomputer ist eine Diva.
Die Herausforderungen des Quantencomputings liegen in der hohen Komplexität von Herstellung und Betrieb. Es bedarf einer sehr speziellen Hardware und neuer Algorithmen, die einer völlig anderen Logik und einem neuen Rechenparadigma folgen und daher extrem teuer sind. Ein typischer Quantencomputer ist aufgrund der Kühlung und Kontrollelektronik sehr groß, der Chip selbst aber kaum größer als ein Daumennagel. Zudem benötigt Quantencomputing eine extrem niedrige Temperatur, oft von bis zum absoluten Nullpunkt von 0° Kelvin (–273,15° C). Die Fehleranfälligkeit ist noch relativ hoch und die Kohärenzzeiten, in denen die Quantenzustände stabil bleiben, sind sehr kurz. Aktuell existieren daher keine universellen Quantencomputer, sondern nur wenige physikalische Quantencomputer, die als NISQ (Noisy Intermediate Scale Quantum) bezeichnet werden. Bisher konnte jedoch kein Quantenvorteil nachgewiesen werden, der die Lösung realer Probleme effizienter als mit herkömmlichen Computern machen würde. Ein weiterer Engpass ist das erforderliche hochspezialisierte Expertenwissen.
4. Von 1982 bis heute: Entwicklung in Sprüngen.
Die Idee des Quantencomputers wurde erstmals vom Physiker Richard Feynman im Jahr 1982 formuliert, erklärt Dr. Florian Knäble, der am Fraunhofer IAO als Quanten-Softwareingenieur forscht. Feynman erkannte, dass die Natur im Grunde genommen ein riesiger Quantencomputer ist. In den rund 40 Jahren seit Feynmans These hat das Quantencomputing zwar immer wieder große Fortschritte gemacht, doch von einem massentauglichen Einsatz ist man heute noch meilenweit entfernt. Im Juni 2023 veröffentlichte IBM das Paper „Quantum Utility“, das zwar ein Problem aus der echten Welt adressierte, welches aber genau zum ausgewählten Quantencomputer passte. Dies war allerdings ein Fortschritt im Vergleich zum „Quantum Supremacy“-Moment, den Google 2019 für sich reklamierte. Mit einem Quantencomputer, der 53 Qubits verwendete, konnte Google damals zwar einen Quantenschaltkreis erstellen, aber das zu lösende Problem war theoretisch und sehr konstruiert.
7. Künstliche Intelligenz und Quantencomputing – eine Traumkombination?
Laut Förtsch gibt es beim Quantencomputing Analogien zu neuronalen Netzen, insbesondere bei den Algorithmen. Interessant sei dies bei Fragestellungen wie dem „Airport Gate Assigning Problem“ auf Flughäfen, bei dem es darum geht, wie schnell Passagiere an welche Stelle des Flughafens geleitet werden sollen. Zwar lasse sich das Problem mit einem Quantencomputer lösen, aber oft stelle sich die Frage, ob ein Informationstheoretiker es aktuell nicht noch schneller mit einem klassischen Computer bewältigen könne. Die größten Potenziale ließen sich oft in einer Verbundarchitektur aus klassischen und Quantencomputern heben. Grundsätzlich, ergänzt Hannah Venzl, seien Fragen der Verkehrssteuerung aber immer interessante Optimierungsprobleme, die sich in Kombination von KI und QC gut lösen ließen.
8. Europa hat international eine Chance im Quantencomputing.
Noch vor vier Jahren habe IBM den weltweit einzigen echten Quantencomputer besessen, sagt Hannah Venzl. Seitdem sei aber „wahnsinnig viel passiert“, nicht nur in den USA oder (vermutlich) in China, sondern auch in Europa. In Deutschland werde Quantencomputing derzeit sehr gut gefördert. Dennoch seien die USA Europa weit voraus, weil dort das Risikokapital viel lockerer sitze. Wenn die öffentliche Förderung 2026 ausläuft, so die einhellige Meinung von Venzl und Förtsch, bestehe durchaus die Gefahr eines Ausverkaufs an US-amerikanische Unternehmen – und das trotz der wissenschaftlichen Vorreiterrolle Deutschlands im internationalen Vergleich. Förtsch appelliert daher, die Technologie zu unterstützen: „Unterstützen Sie Quantencomputing in Ihrer Kommunikation, wenn Sie darin eine Chance sehen.“
Unsere Speakerin und Speaker
Atreus Gastgeber
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